In diesem Beitrag möchte ich meine persönlichen Erfahrungen und mein bisher erworbenes Wissen zu Langzeitbelichtungen vermitteln. Dazu zähle ich alle Situationen, in denen man die Belichtungszeit der Kamera so hoch einstellen muss, dass es ohne die Verwendung eines Stativs zwangsläufig zu Verwacklungen bzw. Bewegungsunschärfe im Bild kommt. Die Grenze kann ja nach Bildstabilisator und/oder Wahl der Brennweite recht unterschiedlich sein. Da ich sehr oft mit 50mm Brennweite fotografiere, gerate ich hier ab ca. 1/50 Sekunde Belichtungszeit in einen kritischen Bereich. Je nach Motivsituation wird nun der ISO-Wert hochgezogen, oder aber ich verlängere die Belichtungszeit noch weiter und verwende ein Stativ. Somit bewege ich mich im Themenkomplex Langzeitbelichtung.
Welche Motive kommen für eine Langzeitbelichtung in Frage?
Langzeitbelichtungen sind natürlich nur zu realisieren, wenn es die Motivsituation auch erlaubt. Ich nutze lange Belichtungszeiten sehr gern z.B. auf meinen Streifzügen durch verlassene Gebäude und Fabriken. Das Motiv ist geduldig und bewegt sich nicht. Ich habe also genügend Zeit, alles so abzulichten, wie ich es mir vorstelle.
Bei diesem Beispiel ist es zumindest in dunklen Innenräumen meist sowieso erforderlich, dass ich die Szenerie lange belichte, da nicht genügend Licht fürs Fotografieren aus der Hand zur Verfügung steht. Gleiches gilt für Landschaftsaufnahmen in der Dämmerung oder das Ablichten einer Stadtszene in der Nacht. Klar könnte ich auch den ISO-Wert hochdrehen und aus der Hand fotografieren – in dem Fall muss ich allerdings mit einem höheren Bildrauschen und detailärmeren Bildern rechnen. Bei Langzeitbelichtungen tritt zwar auch Bildrauschen auf, jedoch längst nicht in dem Maße wie bei sehr hohen ISO-Werten.
Welche Ausrüstung brauche ich für eine Langzeitbelichtung?
Das Stativ
Zwingend erforderlich für Aufnahmen mit längeren Belichtungszeiten ist ein solides Stativ. Diese gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen in allen erdenklichen Preislagen. Die Auswahl fällt entsprechend nicht leicht und wie so oft gibt es nicht „das superempfehlenswerte Stativ“. Möchte man eine hohe Stabilität, so schlägt sich das aufs Gewicht nieder – je schwerer, desto standhafter/stabiler und desto geringer die Gefahr, dass Verwacklungen im Bild zu sehen sind. Schwere Stative sind also widerstandsfähiger gegen Erschütterungen und Wind – sie können jedoch bei längeren Fototouren schnell zu einer nicht zu unterschätzenden Belastung beim Transportieren werden. In dem Fall sollte man versuchen, einen goldenen Mittelweg aus Standhaftigkeit und Gewicht zu wählen.
In einigen Fällen lohnt sich auch die Investition in einen Bohnensack (z.B. Bohnenbeutel von Kalahari*). Gefüllt mit Kichererbsen* (am besten gleich dazu kaufen) gibt er sozusagen ein gutes und flexibles „Sitzkissen“ für die Kamera ab – möchte man eine Langzeitbelichtung von seinem Motiv aus der Froschperspektive anfertigen, ist das die ideale Ergänzung zum Stativ!
Der Fernauslöser
Ein Fernauslöser ist nicht zwingend erforderlich, aber dennoch enorm hilfreich. Im Fall von Langzeitbelichtungen sind kabellose Varianten vorzuziehen. Dadurch haben Fernauslöser einen entscheidenden Vorteil: Du kommst kurz vor dem Auslösen der Aufnahme nicht mit der Kamera in Berührung und kannst daher auch keine Erschütterungen auslösen, die zu potentiellen Verwacklungen auf dem Foto führen. Man kann natürlich auch den Selbstauslöser an der Kamera auf 5 Sekunden stellen und dann direkt an der Kamera auslösen – das ist allerdings sehr unkomfortabel und wirklich sicher schützt selbst das nicht vor potentiellen Verwacklungen.
Eine Investition lohnt sich also auf jeden Fall – es gibt hier auch schon recht günstige Modelle, z.B. der Amazon Basics Fernauslöser (sowohl für Nikon als auch Canon erhältlich). Für Canon-Benutzer empfehle ich den hauseigenen Infrarot-Fernauslöser Canon RC-6. Diesen habe ich an meiner Canon lange Zeit betrieben und war sehr zufrieden damit. Die Entfernung, aus der man die Kamera auslösen kann, ist für derartige Zwecke vollkommen ausreichend.
- Canon RS-60 E3 Kabelfernauslöser für EOS 300D / 350D / 400D
- Für TTL-Messung und Auslösung. Kabellänge 60 cm
Langzeitbelichtungen am Tag – nur mit Graufilter (ND-Filter)
Möchtest Du tagsüber im Freien, womöglich auch bei Sonnenschein, Langzeitbelichtungen realisieren, so könnte dies problematisch werden. Normalerweise ist immer zu wenig Licht vorhanden – in diesem seltenen Fall ist es allerdings genau umgedreht – es gibt zu viel Licht, um die meisten Langzeitbelichtungen in Angriff zu nehmen. Selbst mit der niedrigsten ISO-Zahl und weit geschlossener Blende kommt man bei Sonnenschein schnell an seine Grenzen, was die Belichtungszeit angeht. Es ist einfach zu viel Licht vorhanden, um eine Überbelichtung des Motivs zu vermeiden, wenn man es eine längere Zeit belichten möchte (z.B. um Wasserbewegungen darzustellen).
Die Lösung für dieses Problem besteht in der Anschaffung eines sogenannten Graufilters, auch als ND-Filter bezeichnet. Dieser wird vor das Objektiv geschraubt. Vereinfacht ausgedrückt kann man einen Graufilter auch als „Sonnenbrille für das Objektiv“ bezeichnen. Er lässt eine gewisse Menge an Licht nicht passieren und verdunkelt so das Bild. Dies verschafft Dir wiederum mehr Spielraum zur Verlängerung der Belichtungszeit. Graufilter gibt es in unterschiedlichen Stärken. Ich empfehle den Kauf eines Sets, z.B. diesem hier:
Das Set umfasst unterschiedlich starke Filter und kann daher sehr flexibel eingesetzt werden. Beim Kauf ist neben der Qualität darauf zu achten, dass die Filter auf Dein Objektiv passen – schau also vorher nach, welchen Durchmesser Du benötigst. Oder kaufe Filter für das Objektiv, welches in Deiner Sammlung den größten Durchmesser besitzt – für Deine Objektive mit geringerem Durchmesser kannst du dann entsprechende Adapterringe kaufen, um die Filter so an allen Linsen deiner Sammlung nutzen zu können.
Welche Eigenschaften muss die Kamera aufweisen?
Man benötigt für erste Gehversuche bei Langzeitbelichtungen nicht unbedingt eine High End Kamera. Letztendlich sind als Mindestanforderungen nur zwei Eigenschaften erforderlich. Zum einen muss selbstredend die Belichtungszeit manuell einstellbar sein. Des Weiteren sollte auch eine Befestigungsmöglichkeit für Stative vorhanden sein. Die meisten Kameras, auch kleinere Kompakte, besitzen meist eine Vertiefung mit Gewinde an ihrer Unterseite um entsprechende Stativplatten daran zu befestigen.
Wie geht man am besten vor, um eine gelungene Langzeitbelichtung zu realisieren?
1. Kameraeinstellungen anpassen
Es gibt einige Besonderheiten, die du insbesondere an Spiegelreflexkameras einstellen kannst und solltest, um noch mehr aus Deiner Langzeitbelichtung herauszuholen. Tipp: Ich habe diese Einstellungen einmalig vorgenommen und dann auf ein „Custom“-Programm an meiner Kamera gespeichert. Vor jeder Langzeitbelichtung wähle ich es aus und habe sofort alles parat.
2. Die Bildkomposition – Wählen von Perspektive, Bildausschnitt und Co.
Dieser wichtige Punkt ist beim Fotografieren generell zu beachten – nicht nur bei Langzeitbelichtungen. Je nach Motiv solltest Du dir Gedanken über die Gestaltung des Bildes vor dem Drücken des Auslösers machen. Beziehungen zwischen Vorder- und Hintergrund, Perspektive, Bildausschnitt, Größenverhältnisse oder Brennweite sind einige der wichtigsten Aspekte, denen hier Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Ich habe in einem früheren Blogeintrag in einem Absatz darüber bereits schon einmal geschrieben und dort ein paar Ratschläge erteilt, die Dir hier weiterhelfen können.
Was die ganze Sache mit der richtigen Position der Kamera um die beste Bildwirkung zu erhalten hier noch eine Spur wichtiger erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass Du bei Langzeitbelichtungen nicht „mal eben den Auslöser drücken“ und sofort schauen kannst, ob der gewählte Bildausschnitt der beste ist. Das Stativ muss aufgebaut und die Kamera montiert werden, das Aufnehmen des Motivs selbst dauert lange, in Extremfällen mehrere Minuten. Hinterher dann festzustellen, dass die Kamera besser doch etwas weiter links hätte positioniert werden sollen oder diese oder jene Brennweite besser gewesen wäre, kann ärgerlich sein.
Daher als erstes: Gehe mit der Kamera durch den Raum, guck dabei durch den Sucher/aufs Display, experimentiere mit verschiedenen Perspektiven, finde den für dich besten Bildausschnitt – erst dann solltest Du das Stativ aufbauen und die Kamera darauf sicher, stabil & fest positionieren.
3. Scharfstellen des gewünschten Bildelements
Als drittes kümmere ich mich immer um die Schärfe im Bild bzw. auf welchen Punkt ich den Fokus setzen möchte. Dies geschieht in Bezug auf Langzeitbelichtungen bei mir meist immer manuell – ich habe ja „alle Zeit der Welt“ – wieso also mögliche Fehlfokussierungen durch einen ungenauen Autofokus in Kauf nehmen, wenn man es manuell sicherer und genauer hinbekommen kann? Ich erledige dies an meiner EOS 5D Mark II gern über das Display der Kamera im Live View Modus. Ich vergrößere mit der Lupe auf den Bereich, welcher scharf abgebildet werden soll und drehe dann vorsichtig am Fokusring des Objektivs, bis die gewünschte Schärfe eintritt. Wichtig an der Stelle ist, dass der Autofokus (meist ein kleiner Schalter am Objektiv) ausgestellt sein muss, da sonst beim Auslösen naturgemäß die Kamera von selbst fokussiert.
4. Belichtung einstellen
Als nächstes sollten die Werte für Blende, ISO und Zeit gesetzt werden – dies sind alle wichtigen Parameter, mit denen man die Belichtung des Fotos beeinflussen kann. Falls du damit noch nicht allzu viel anfangen kannst, empfehle ich Dir die ersten drei Artikel, die ich unter „Technische Grundlagen“ verlinkt habe.
Den ISO-Wert setze ich so gut wie immer auf ISO100 oder 200 – somit halte ich das Bildrauschen im Zaum beziehungsweise so gering wie möglich. Die Blende sollte in Abhängigkeit von der gewünschten Bildwirkung in Bezug auf die Schärfe eingestellt werden (weit offen = geringe Schärfentiefe, weit geschlossen = hohe Schärfentiefe, siehe zu letzterem auch unter „Hyperfokale Distanz„). Die Belichtungszeit wähle ich immer so, dass das Motiv wie von mir gewünscht belichtet wird. Dabei kann man sich ganz gut am internen Belichtungsmesser der Kamera (lasse ich meist auf Mehrfeld eingestellt) orientieren, welcher einen darauf hinweist, ob das Bild möglicherweise über- oder unterbelichtet wird wenn diese oder jene Belichtungszeit eingestellt ist. Bei stark kontrastreichen Motiven (z.B. helles Fenster in dunklem Raum) kann jedoch auch der Mehrfeldmessmodus der Kamera nur noch raten, was denn jetzt ausreichend belichtet werden soll. Hier kann man einen anderen Messmodus oder die Belichtungskorrektur verwenden, um den Belichtungsmesser verlässlicher arbeiten zu lassen. Viele Details, die damit zusammenhängen, werden im Artikel über Messmethoden und Belichtungskorrektur genauer erklärt.Wenn nun die meiner Meinung nach treffendste Belichtungszeit gewählt ist, produziere ich eine Testaufnahme und schaue mir auf dem Display an, ob das Bild zu stark unter- oder überbelichtet ist. Sollte dies der Fall sein, justiere ich entsprechend nach und nutze eine geringere oder höhere Belichtungszeit. Meist fertige ich von einem Motiv 2-3, in einigen Fällen auch mehr Aufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungszeiten an. Dies nennt man auch Belichtungsreihe. So habe ich später bei der Nachbearbeitung immer noch die Möglichkeit, eine andere Belichtungs-Variante auszuwählen.
Ein weiterer Grund warum ich gern Belichtungsreihen erstelle besteht darin, dass ich in manchen Fällen, vor allem bei kontrastreichen Aufnahmen, gern mit HDR experimentiere. Dabei werden mehrere unterschiedlich belichtete Aufnahmen übereinander gelegt, um alle Bildbereiche – dunkle wie helle – ausgewogen belichtet zu haben. Dosiert eingesetzt kann sich dies positiv auf die Bildstimmung auswirken. Der Bereich der HDR-Fotografie kann allerdings ein ganzes Buch füllen, weswegen ich mich damit in einem eigenständigen Beitrag beschäftigen werde. 😉 Wer darauf nicht warten möchte, dem empfehle ich ein Blick in dieses Buch, welches sich erschöpfend mit dem Thema auseinandersetzt:
5. Das Betätigen des Auslösers
Nun habe ich im letzten Abschnitt schon den finalen Schritt vorweggenommen. Ich möchte ihn aber dennoch gesondert kurz hervorheben. Denn „mal eben auf den Auslöser“ drücken, empfiehlt sich bei Langzeitbelichtungen nicht.
Bevor Du den Funk-Fernauslöser drückst, solltest Du noch mal alle möglichen Überlegungen anstellen, mit deren Hilfe Du ein Wackeln der Kamera vermeiden kannst. Frage Dich unter anderem:
- Sitzt die Kamera fest auf dem Stativ?
- Bläst gerade kein starker Wind um die Kamera?
- Verhalte ich selbst mich ruhig?
- Habe ich ausreichend Zeit verstreichen lassen, seitdem ich Einstellungen an der Kamera vorgenommen habe?
Wenn Du Dir relativ sicher sein kannst, dass sich die Kamera nicht bewegt, dann kann‘s losgehen. Viel Spaß und Geduld wünsche ich! 🙂
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Hallo Thomas,
sehr guter und vor allem äußerst ausführlicher Artikel der unterschiedliche Szenerien und Motive zum Thema LB beleuchtet ;-)! Werde die Website auf jeden Fall meinen Schülern empfehlen! Grüße Ralf
Vielen Dank für diesen überaus ausführlichen Bericht. Das hat mir sehr geholfen .
da der Bericht in Rangfolge der Handhabung verfasst war so konnte ich mir stichpunktartig einen kleinen Spickzettel schreiben der in mein Kameratasche kommt, so dass ich dann bei LB Punkt für Punkt abarbeiten kann und nichts vergesse. (Ist mir schon passiert)
Habe ich diese Einstellungen dann mal öfter gemacht werde ich sie auch im Kopf haben.
Der Artikel ist super verfasst,ich hab schon einige im Netz gelesen und keiner war so gut geschrieben.
Ich empfehle ihn gerne weiter.
Thomas ,
Hallo Monika,
besten Dank für die lobenden Worte.
Viele Grüße und weiterhin viel Spaß beim Fotografieren,
Thomas
Stephan ,
Hallo Thomas,
ich bin eher zufällig auf deine Seite gestoßen, habe sie mir aber gleich als Favorit gesetzt. Du erklärst ausführlich, aber nicht zu ausschweifend und vor Allem auch für den Laien verständlich.
Gerade das Thema Langzeitbelichtung finde ich sehr spannend, da ich mich seit Kurzem zusammen mit einer Kollegin mit der Lost-Places-Fotografie beschäftige. In diesem Bereich wird man es ja immer wieder mit dunklen Räumen zu tun haben. Dein Artikel hat mir hierzu echt super Tipps vermittelt.
Großes Lob 🙂
Viele Grüße aus Dortmund
Stephan
Thomas ,
Hallo Stephan,
vielen Dank für die positive Kritik. Freut mich immer wieder, wenn meine Artikel weiterhelfen können.
Beste Grüße und viel Spaß noch beim Erkunden der Lost Places,
Thomas
Guten Morgen,
Super beschrieben worden, klar und deutlich. Vielen lieben Danke dafür.